11.07.22 - Immer mehr Menschen in Deutschland suchen aufgrund der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Krisen Hilfe, weil ihr Einkommen zum Leben schon lange nicht mehr ausreicht. Das verdeutlicht eine Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung aus dem Frühjahr. Vor diesem Hintergrund hat OSTHESSEN NEWS über Pressesprecher Christian Scharf bei der Schuldner- und Insolvenzberatung des "Caritasverbandes für die Regionen Fulda und Geisa" nachgefragt, wie dort die Situation bewertet wird. Die Fragen wurden bearbeitet von Janina Wübbelsmann, M.A. Sozialpädagogin; Juristin Ursula Hillebrand und Werner Althaus, Bereichsleiter Soziale Dienste.
O|N: Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aktuell in der Schuldnerberatung tätig?
Die Schuldner- und Insolvenzberatung des Caritasverbandes für die Regionen Fulda und Geisa hat drei Beraterinnen und eine Verwaltungsmitarbeiterin mit insgesamt 1,875 Stellen. Dort arbeiten zwei Beraterinnen mit einer halben Stelle und eine zusätzliche Kraft mit einem geringen Stundenanteil. Unterstützt werden sie von einer Verwaltungsmitarbeiterin in Teilzeit.
Das Team der Schuldner- und Insolvenzberatung: Petra Peh (Verwaltung) und Beraterin Caritas Fulda
O|N: Verzeichnet man eine steigende Nachfrage nach Beratungen? Ist dies zahlenmäßig belegbar?
Monatlich finden rund 20 bis 30 Erstberatungen statt. Die Terminvergabe hierfür erfolgt zeitnah und niedrigschwellig. Die Erstberatung findet in Form einer Telefonsprechstunde statt. Zusätzlich werden fortlaufend Menschen im SGB II- Bezug direkt vom Kreisjobcenter in das Beratungsangebot vermittelt. Im vergangenen Jahr gab es 147 Neuaufnahmen, das sind 26 Prozent mehr als im Jahr 2020. Die Beratungsstelle ist voll ausgelastet. Aus diesem Grund wird nun mit einer Warteliste gearbeitet.
O|N: Wenn ja, seit wann und womit könnte dies zusammenhängen?
Die gesteigerte Nachfrage steht in direktem Zusammenhang mit der finanziellen Veränderung in zahlreichen Haushalten. Wir können das in den Medien verbreitete Bild der finanziellen Notlage aufgrund der Pandemie grundsätzlich bestätigen. Bei den Ratsuchenden gab es zwar in der Regel auch vorher schon eine Schuldenproblematik, jedoch ist diese Situation dann aufgrund der finanziellen Verknappung nicht mehr zu händeln. Bisher laufende Schuldenregulierungen sind somit gescheitert. Wir gehen durch die aktuelle Situation der steigenden Energiekosten und der Inflation von einer weiteren Zuspitzung in den kommenden Monaten aus.
O|N: Sind es überwiegend Einzelpersonen oder Familien, die um Rat nachsuchen?
Die Gruppe der Ratsuchenden ist so heterogen wie unsere Gesellschaft.
O|N: Was ist Schwerpunkt der Beratungen?
Im Erstgespräch bekommen ratsuchende Menschen Informationen zum Umgang mit Gläubigern und wichtige Hinweise, z.B. zur Einrichtung eines P-Kontos. Im Anschluss wird eine Gläubigerliste erstellt und Kontakt mit den Gläubigern aufgenommen. Auf dieser Basis wird ein realistischer Schuldenregulierungsplan entwickelt. Dies bedeutet für den Ratsuchenden eine wichtige neue Perspektive, neue Strukturen und große Entlastung. Ist eine Einigung mit den Gläubigern nicht möglich, so kann in Zusammenarbeit ein Insolvenzverfahren vorbereitet werden.
Es gibt grundsätzlich zwei unterschiedliche Zugangswege. Zum einen für Menschen im SGB-II-Bezug und zum andern für Menschen, die Grundsicherung im Alter oder andere Sozialleistungen oder geringes Einkommen erhalten.
SGB-II-Empfänger werden direkt vom Kreisjobcenter an uns vermittelt. Sie erhalten von Ihrem Fallmanager/-in einen entsprechenden Berechtigungsschein. Dieser Bereich wird im Schwerpunkt von unserer Kollegin Christiane Detscher bearbeitet. Die Beratung für SGB-II-Empfänger wird vollumfänglich vom Landkreis Fulda finanziert, es besteht eine gute Kooperation. Ziel dieses Bereiches ist es, die Vermittlungshemmnisse durch Schulden von langzeitarbeitslosen Menschen zu minimieren, um so wieder dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen zu können. Die sonstige Schuldner- und Insolvenzberatung wird durch Stadt und Landkreis nur zum Teil bezuschusst. Der Caritasverband muss hier einen erheblichen Eigenanteil tragen. Wegen der hohen Nachfrage muss sich der Ratsuchende auf eine entsprechende Wartezeit einstellen. Wir beraten Menschen mit geringem Einkommen oder Transferleistungen und bereiten mit ihnen zusammen ggf. das Insolvenzverfahren vor.
O|N: Wie laufen solche Gespräche ab?
Nach Anfrage in unserer Schuldner- und Insolvenzberatung erfolgt mit dem Betroffenen eine telefonische Klärung der aktuellen Situation. Hier wird geklärt, wie hoch die Schulden, wie viel Gläubiger vorhanden sind, ggf. welches Einkommen vorhanden ist u.v.m. Vordringlich muss der Lebensunterhalt gesichert sein. Müssen hier akute Notlagen geklärt oder noch Leistungen beantragt werden, können andere Beratungsangebote des Caritasverbandes Hilfestellungen anbieten. Sind die wirtschaftlichen Grundlagen gesichert, kommt es zur Terminvereinbarung in der Schuldner- und Insolvenzberatung.
O|N: In welchem (Gemüts)-Zustand kommen die Menschen zu Ihnen?
Viele sind sehr belastet und berichten häufig, vor Sorge, nicht mehr schlafen zu können. Viele Ratsuchende haben sich in ihrer Situation aufgegeben. Die meisten haben den Überblick über Gläubigeranzahl und Schuldenhöhe verloren. Durch die Beratung sind sie dann erleichtert. Alleine schon das Benennen der Probleme führt häufig schon zu einer ersten Entlastung. Die Post der Gläubiger geht an die Beratungsstelle, dies führt zu einer weiteren wesentlichen Entlastung.
O|N: Kostet eine solche Beratung etwas?
Nein.
O|N: An wen kann man sich wenden, wenn man Hilfe in finanzieller Bedrängnis sucht? (Kontaktmöglichkeiten bei der Caritas).
Caritasverband für die Regionen Fulda und Geisa e.V.,
Schuldner- und Insolvenzberatung
Wilhelmstraße 8
36037 Fulda
Telefonnummer 0661/2428-340
E-Mail: schuldnerberatung@caritas-fulda.de.
Übernahme des Beitrages mit freundlicher Genehmigung von https://osthessen-news.de