Statement von Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa zum Antrag und zum Gesetzentwurf zum Schwangerschaftskonfliktrecht
"Mit den vorgezogenen Neuwahlen wird die Zeit für Gesetzesinitiativen in dieser Legislaturperiode knapp - auch in Fragen des Schwangerschaftskonfliktrechts. Gestern wurden zwei zusammenhängende Vorschläge vorgelegt - ein Gesetzentwurf und ein Entschließungsantrag. Beide wollen bis zum Wahltag im Februar die durch den Bericht der Regierungskommission zur reproduktiven Selbstbestimmung angestoßene Debatte voranbringen.
Sie zeigen in ihrer Unterschiedlichkeit: Eine sorgsame Diskussion um das Für und Wider verschiedener Vorschläge liegt noch vor uns. Sie zeigen in ihrer Ähnlichkeit: Der Deutsche Bundestag will radikalen Forderungen zu einer völligen Abkehr vom geltenden Recht nicht folgen, wie sie zuletzt von verschiedenen Verbänden vorgetragen wurden. Gerade der Gesetzentwurf bleibt vergleichsweise nah am geltenden Recht. Er hält zum Glück an einer Beratungspflicht im Schwangerschaftskonflikt fest und orientiert die Beratung am Schutz des ungeborenen Kindes und an der Entscheidungssituation der Frau. Unmissverständlich regelt der Gesetzentwurf im Strafrecht den Fall, dass der Arzt die Abtreibung gegen den Willen und ohne Zustimmung der Frau vornimmt. Das Strafmaß macht den Unrechtscharakter der Tat deutlich. Der Entschließungsantrag hingegen wendet sich von der Beratungspflicht ab und ist stark auf vermutete Versorgungsengpässe fokussiert.
Eine fundierte Entscheidung zu beiden Initiativen ist nur möglich, wenn alle relevanten Grundlagen vorliegen. Der Bericht der Regierungskommission wird im Bundesjustizministerium derzeit noch geprüft und ist nicht abschließend bewertet. Zudem wurden die Ergebnisse der flankierenden ELSA-Studie bisher nur teilweise veröffentlicht und die abweichende Bewertung einiger Kommissionsmitglieder zur Versorgungslage wurde bisher kaum gewürdigt. Angesichts der wenigen verbleibenden Sitzungstage bis zur Neuwahl wäre es nicht verantwortlich, die Entscheidung über die beiden Vorschläge jetzt im Eiltempo treffen zu wollen.
Wo es um Grundsatzfragen am Lebensanfang geht, braucht es eine geordnete Beratungszeit mit Anhörungen in Ausschüssen und mit dem gründlichen Abwägen von Alternativen. Es gilt auch, bei den gesetzgeberischen Vorhaben die Erfahrungen einzubeziehen, die mit dem Einsatz pränataldiagnostischer Verfahren (NIPT) in den ersten Schwangerschaftswochen inzwischen gemacht werden."